Der Mai
Im Galarock des heiteren Verschwenders,
ein Blumenzepter in der schmalen Hand,
fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,
aus seiner Kutsche grüßend über Land.
Es überblüht sich, er braucht nur zu winken.
Er winkt. Und rollt durch einen Farbenhain.
Blaumeisen flattern ihm voraus und Finken.
Und Pfauenaugen flügeln hinterdrein.
Die Apfelblüten hinterm Zaun erröten.
Die Birken machen einen grünen Knicks.
Die Drosseln spielen auf ganz kleinen Flöten
das Scherzo aus der Symphonie des Glücks.
Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.
Wir zieh’n den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.
Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.
O, gäb’ es doch ein Jahr aus lauter Mai!
Melancholie und Freude sind wohl Schwestern.
Und aus den Zweigen fällt verblühter Schnee.
Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern.
Auch Glück kann wehtun. Auch der Mai tut weh.
Er nickt uns zu und ruft: „Ich komm ja wieder!“
Aus Himmelblau wird langsam Abendgold.
Er grüßt die Hügel und er winkt dem Flieder.
Er lächelt. Lächelt. Und die Kutsche rollt.
Erich Kästner