(Teil I:)
In Marburg war er gern zu Gast
(Max Reger zum 100. Todestag)
Versetzen wir uns zurück in das Marburg kurz vor dem ersten Weltkrieg: Das alte Hotel „Europäischer Hof“ stand noch in der Elisabethstraße, die Stadtsäle – für uns wichtig wegen ihrer Nutzung für Konzerte – gab es ebenfalls noch (Ecke Universitäts-/Gutenbergstraße). Und wenn wir dann die „Alte Aula“ in dem heute als Alte Universität bezeichneten Gebäudekomplex hinzunehmen (die gute Stube der Universität, neben der Universitätskirche), dann haben wir die Kulissen für unsere Zeitreise beisammen. Halt – eines noch: Wer wollte, konnte vom „Europäischen Hof“ zu den Stadtsälen mit der Staßenbahn fahren. Sie war seit 1911 elektrisch und fuhr vom Bahnhof zum Wilhelmsplatz.
In dem Konzertkalender, den der „Generalmusikdirektor Dr. Max Reger“, Dirigent des berühmten Meininger Orchesters, eigenhändig führte, finden sich unter dem Jahr 1914 folgende handschriftliche Eintragungen, die hier durch eingeklammerte Ergänzungen vervollständigt sind:
7. Februar Stadtsaal
Sonnabend Marburg 8 Uhr (abends)
- Böcklin (suite für Orchester) op. 128 , Reger
- Siegfriedidyll, Wagner
- 3. Symphonie Dmoll, Bruckner
Matinee
8. II. Sonntag 11 1/2 Uhr (Alte) Aula
- Hornsonate, Beethoven
- Flötenserenade, Reger (Flöte, Violine, Viola; vermutlich op. 77a)
- Bläserquintett, Mozart
8. Febr. Sonntag 5 Uhr Stadtsaal
- Symphonie D-Dur, Mozart
- Ballettsuite (op. 130), Reger
- 6. Symphonie, Beethoven
- Meistersinger (-Vorspiel), Wagner
Das waren zwei Sinfoniekonzerte und eine Kammermusik-Matinee an nur zwei Tagen! Ob sich heute dafür ein Publikum fände? Und welches Berufsorchester wäre, wie damals die berühmte Meininger Hofkapelle, zu einer Konzerttournee durch 23 Städte bereit mit täglich ein bis zwei Konzerten? Marburg war ja nur eine Station unter vielen, allerdings eine sehr beliebte: Die Musiker blieben immerhin zwei Tage an einem Ort und wurden meist privat untergebracht. Und nach dem zweiten Konzert, das ja schon um 17 Uhr begonnen hatte, konnte man im Hotel „Europäischer Hof“ wunderbar feiern. Die von Reger getroffene und vom Meininger Herzog Georg genehmigte Programmauswahl war für Marburger Verhältnisse erstaunlich: Mit Bruckner und Wagner verstieß sie gegen die hier übliche Bevorzugung der Werke von Brahms; daß mit Reger gar ein Neutöner in den heilgen Hallen der Universität und der Stadtsäle aufgeführt wurde, darf als revolutionär bezeichnet werden. (Was nicht heißt, daß Reger Brahms nicht schätzte. Aber der alte Streit zwischen „Wagnerianern“ und „Brahminen“, der das Musikleben der letzten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts vergiftet hatte, spielte für ihn keine Rolle mehr.)
Reger war immerhin dreimal – 1912, 1913 und 1914 – in Marburg zu Gast. Das war der Initiative von Gottlieb Braun zu verdanken: Der hatte schon mit Regers Vor-Vorgänger, dem Dirigenten Fritz Steinbach, Kontakt aufgenommen und ihn mit seinem berühmten Orchester nach Marburg geholt. Auch dessen Nachfolger Wilhelm Berger hat Braun nach Marburg gebracht. Die daraus hervorgegangenen „Meininger Musiktage“ wurden so alljährlich Anfang Februar zur festen Einrichtung des hiesigen Musiklebens. Regers Wirksamkeit wurde der krönende Abschluß dieser beachtlichen Reihe, denn sie endete im Sommer 1914, weil die berühmte Kapelle des im Juni verstorbenen „Theater-Herzogs“ nach Kriegsausbruch von seinem Sohn Bernhard rigoros aufgelöst wurde.- Mit welchem Engagement G. Braun (seit 1899 Inhaber der „Elwertschen Verlagsbuchhandlung“ und seit 1911 auch „Herzoglicher Hofbuchhändler“) sich dieser Konzerte annahm, zeigt der für 1914 geschlossene Vertrag vom „1. July 1913“: Er hatte die gesamte Organisation samt Karten(vor)verkauf, Bestuhlung, Beleuchtung etc. zu garantieren und „vor Beginn des Konzerts eine bare Vergütung von 2500 Mk an den die Hofkapelle begleitenden Beamten der Hofkasse zu zahlen“! Ähnlich risikofreudig hatte G. Braun schon einige Jahre zuvor agiert, als er die Meininger vierzehn Tage vor dem möglichen Konzerttermin von Kassel nach Marburg einlud, selbst die Reklametrommel rührte und das vereinbarte Honorar von 1500 Mark (!) nicht nur hereinholte, sondern sogar mit einem Überschuß von 10 Pfennigen abschloß.
Das alles liegt über hundert Jahre zurück und trägt aus heutiger Sicht durchaus Züge einer Idylle: Orchestermusiker wohnen in Privatquartieren, Reger probt sein neuestes Klaviertrio (op. 102) in der Privatwohnung Brauns (die Probe verspätet sich, weil sich Reger den frisch gebackenen Kreppeln des Kaffeetisches zu ausführlich widmete) und Sonderzüge bringen Konzertbesucher aus der Umgebung herbei (wie flexibel war damals die Bahn!). Zu den Angereisten gehörte auch eine Gruppe Willingshäuser Künstler: Der Maler Wilhelm Thielmann fertigte Zeichnungen von Reger an, die dieser eifrig signierte, nachdem man sie als Postkarten vervielfältigt hatte.
Wie so vieles aus jener „guten, alten Zeit“ zerstörte der erste Weltkrieg nicht nur die idyllischen Verhältnisse, sondern durch aus auch vieles Wertvolle, in Jahrzehnten Errungene und Gewachsene. Darauf einzugehen, ist hier nicht der Ort. Aber wenn man z. B. „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ von Florian Illies auch nur diagonal liest, dann staunt man doch über die blühende Fülle wissenschaftlicher, technischer und künstlerischer Leistungen gerade auch in Deutschland. Und nimmt man dann Christopher Clarks „Die Schlafwandler“ zur Hand, mit den Bildern der gekrönten Häupter und ihrer operettenhaften Aufmachung, dann erschrickt man vor dem Ausmaß verblendeter Ahnungslosigkeit derer, die es besser hätten wissen müssen. (In einem Punkt sind wir heute weiter: Mit der Aufmachung ist es nicht mehr so weit her. Aber sonst? Nun ja: Wir schaffen das…)
Bleiben wir bei Reger: 1873 geboren, hatte er sich nach schwierigen Anfängen schrittweise emporgekämpft und trotz vieler Widerstände durchgesetzt: Gegen den Willen der Eltern, die ihn lieber als Volksschullehrer gesehen hätten, studiert er ab 1890 bei dem berühmten Musikwissenschaftler Hugo Riemann, zunächst in Sondershausen, dann in Wiesbaden. Dort erleidet der Fünfundzwanzigjährige 1898 einen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Zusammenbruch; als scheinbar gescheiterte Existenz kehrt er in sein Elternhaus nach Weiden/Oberpfalz zurück. Einigermaßen genesen, aber immer gefährdet durch gelegentliche alkoholische Exzesse, schreibt er dort die Werke Opus 20 bis 59 (darunter einen Großteil seiner Orgelmusik). 1901 beginnt in München seine zweite, nun erfolgreiche Karriere, die ihn über Leipzig (1907) nach Meiningen führt (1911). Reger hat sich, allen Widerständen gegen seine nicht eben eingängige Musik zum Trotz, in diesen Jahren als Pianist, Liedbegleiter, Kammermusiker und bald auch als Dirigent im deutschen Konzertleben etabliert. Seine intensive Kompositionstätigkeit führt dazu, daß er um 1910 neben Richard Strauss zum „marktbeherrschenden“ Komponisten Deutschlands wird – mit Ausnahme der Oper und der traditionellen Sinfonie: Die Oper liegt außerhalb seines Spektrums; der Sinfonie hat er sich mit einigen späten Orchesterwerken schrittweise genähert. Wenn aber ein Komponist schon mit 43 Jahren stirbt, können nicht alle Pläne zur Reife kommen.
Was verdiente Reger vor dem 1. Weltkrieg? Ein erhalten gebliebener Vertragsentwurf mit dem Musikverlag Simrock macht das deutlich: Lieder je 400 Mark – Kammermusik mit Klavier 4000, ohne Klavier 2000 Mk – Chorwerke 4000 (klein) bis 7000 Mk (größer) – Orchesterstück klein 6000, groß 10 000 Mk – ein Orgelstück je nach Dauer 500 – 1000 Mk usw.- Das war seine „Preisliste“ als er im Zenit seines Schaffens stand. Seine Anfänge sahen sehr viel magerer aus: Erst Richard Strauss stellte für ihn den Kontakt zum Musikverlag Aibl/München her; später wurde Reger von mehreren prominenten Verlagen publiziert.- Seine rastlosen Aktivitäten, angetrieben von dem Willen, eine Aufführungstradition für seine eigenen Werke zu begründen, hatten allerdings ihren fatalen Preis: Durch permanente Überanstrengungen erlitt Reger in immer kürzeren Abständen Zusammenbrüche, die durch allzu kurz bemessene Kuraufenthalte nur oberflächlich „geheilt“ wurden. So auch nach der oben beschriebenen Konzertreise: Drei Wochen nach seinem Marburger Auftritt mußte er alle weiteren Konzerte absagen und begab sich in ein Meraner Sanatorium. Von dort aus reichte er sein Entlassungsgesuch ein, das der alte Herzog Georg – eine seiner letzten Amtshandlungen – „mit tiefem Bedauern“ annahm. – 1915 siedelte Reger nach Jena über. Für Kriegsdienste war er völlig untauglich: „totaler Vaterlandskrüppel“ nennt er sich in einem Brief.- In diese späte Phase seines Schaffens gehörten so unterschiedliche Orchesterwerke wie die Mozart-Variationen op. 132 (sein wohl bekanntestes Orchesterwerk, ursprünglich für zwei Klaviere geschrieben) oder auch die heute inkommensurable „Vaterländische Ouvertüre“ op. 140. Hinzu kamen aber auch bedeutende Orgelwerke wie Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b. Beruflich blieb er – wie all die vorangegangenen Jahre zuvor – dem Leipziger Konservatorium als Dozent verbunden. Am 11. Mai 1916 starb Reger, erst 43 Jahre alt, nachts in seinem Leipziger Hotel; auf seinem Bett lagen noch die Korrekturabzüge seines letzten Werkes, des Klarinettenquintetts op. 146. Das Ende des Krieges zu erleben, blieb ihm erspart.
(Teil II:)
Die Orgel hör ich wohl, allein mir fehlt der Straube!
(Ein Bonmot Regers, nachdem ihm ein Organist eines seiner Werke unzulänglich vorgespielt hatte)
Vielen Musikfreunden und sogar Musikern gilt Reger heute primär als bedeutender Orgelkomponist, der auch einiges an Kammer- und Klaviermusik, Liedern, Chören und sogar Orchesterstücken geschrieben hat. Dies Bild ist korrekturbedürftig. Reger hat zwar relativ spät zum Orchester gefunden (Sinfonietta A-Dur op. 90, 1905), aber dann – noch vor dem Kontakt mit dem Meininger Orchester – mit den Hiller-Variationen op. 100 (1907), dem Violinkonzert op. 101 (1908), dem Klavierkonzert op. 114 (1910) und weiteren großbesetzten Werken nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland Erfolg gehabt. Fritz Steinbach, Arthur Nikisch, Henri Marteau, Wilhelm Mengelberg und andere mehr setzten sich als Dirigenten oder Interpreten für ihn ein. Aber diese verheißungsvolle Entwicklung wurde durch den 1. Weltkrieg unterbrochen: Nach 1914 war es undenkbar, im (feindlichen) Ausland Werke eines deutschen, dazu noch so „neutönerischen“ Komponisten aufzuführen. Man muß also heute das gängige Regerbild geradezu auf den Kopf stellen: Er entfaltete in allen Bereichen der Klavier- und Kammermusik, des Liedes, der geistlichen und weltlichen Chormusik, später auch im orchestralen Bereich und dem oratorischer Chorwerke (Psalm 100, Gesang der Verklärten u.a.m.) ein breit gefächertes Schaffen; erfreulicherweise hat er sich auch der Orgel zugewandt und zwar mit Werken, die ihn zum bedeutendsten deutschen Orgelkomponisten nach Bach machten. Durch den Krieg von 1914 wurde seine internationale Durchsetzung zunichte gemacht; in Deutschland selbst bahnten sich danach stilistische Entwicklungen an, die in gänzlich andere Richtungen führten. Einzig die Orgelmusik blieb weitgehend im Repertoire. Wie kam das? Reger hatte in Karl Straube den wohl wichtigsten Freund und Förderer seines Lebens gefunden. Er lernte ihn 1896 in Frankfurt/M. kennen, wo dieser Regers als unspielbar geltende Suite op. 16 aufgeführt hatte. Seitdem begleitete Straube Regers Lebensweg als kluger Ratgeber nicht nur in musikalischen Fragen, sondern auch in solchen des alltäglichen Lebens (für deren Bewältigung Reger oft keine glückliche Hand hatte…). Straube wurde 1903 Thomasorganist und Leiter des Bachvereins in Leipzig, 1907 Dozent (Orgel) am dortigen Konservatorium und 1918 sogar Thomaskantor. Wie perfekt das Zusammenspiel zwischen Reger und Straube funktionierte, kann man aus folgendem Verfahren ablesen: Reger schrieb ein neues Orgelwerk gleich zweimal ins Reine; ein Exemplar ging an den Drucker, das andere an Straube, der sofort zu üben begann. Häufig fiel dann die Präsentation dieses Werkes in den Musikalienhandlungen zusammen mit der Uraufführung in der Thomaskirche! Nun war Straube damals zwar nicht der einzige Regerinterpret, wohl aber der einflußreichste. Durch seine Lehrtätigkeit am Konservatorium – eine über Jahrzehnte ausgeübte Tätigkeit – propagierte er Regers Orgelmusik, an der keiner seiner Schüler vorbeikam. Hinzu kam, daß der Katholik Reger mit seinen „un-erhörten“ Werken von einflußreichen katholischen Kreisen schroff abgelehnt wurde, während ihn evangelischerseits nicht nur Straube, sondern auch führende Theologen und Zeitschriften (etwa die für „Gottesdienst und kirchliche Kunst“) nachdrücklich förderten. Das erklärt zum Beispiel, warum Reger an die 100 (relativ) leichte Choralvorspiele für den gottesdienstlichen Gebrauch schrieb, die noch heute als solche benutzt werden.
Straubes Einfluß war enorm, nicht selten steuerte er auch die Karrieren seiner Schüler. Kehren wir zurück nach Marburg: Der populäre und originelle Kurt Utz (1901 – 73), von Straube hoch geschätzt, ging mit 28 Jahren (von Straube empfohlen) als Professor für Orgel an die deutsche Musikakademie in Prag. Außerdem spielte er in verschiedenen Kirchen Gottesdienste und (Zitat) „da ich ja samstags frei hatte, auch in der Synagoge“. (Nach 1945 kam er über Wiesbaden/ Marktkirche als Universitätsmusikdirektor nach Marburg und betreute außerdem die Musik an der Elisabethkirche; dieser Lebensabschnitt wurde von Straube (gestorben 1950) nicht mehr beeinflußt.)- Johannes Stadelmann (Kirchenmusikdirektor an der Universitätskirche) war als Thomaner und dann als Studierender ebenfalls Straube-Schüler, der bis 1943 in Bukarest als Kirchenmusiker und Gymnasialmusiklehrer tätig war; seine erste Frau Annemarie war übrigens eine der ganz wenigen weiblichen Schüler Straubes. Dessen Einfluß erstreckte sich auch noch auf die nächste Generation: Mein entscheidender Orgellehrer Prof. Dr. Hans Klotz (Aachen – Flensburg – dann Musikhochschule Köln) studierte ebenfalls bei Straube. Er war da schon promoviert und spielte alles auswendig, was Straubes Sache nicht war. Passierte denn doch einmal ein Fehler, pflegte der (nicht promovierte) Straube süffisant zu sagen „Nun, Herr Doktor, m i t Noten wäre das nicht passiert!“ Klotz ging in Fragen der Regerinterpretation ganz eigene Wege; im Unterricht allerdings war er noch der von Männern dominierten Leipziger Tradition verpflichtet: Als ich 1961 ff. bei ihm studierte, war der Anteil holder Weiblichkeit unter den Studenten schon relativ hoch. Wenn sich eine der Damen beim Spielen verhedderte, pflegte Klotz zu den anwesenden Jünglingen augenzwinkernd zu sagen „Nun ja: Übung macht den Meister, Heirat die Meisterin!“ Gleichwohl gingen aus seiner Klasse auch zahlreiche tüchtige (meist ledig bleibende) Organistinnen hervor… Und sicherheitshalber sei hinzugefügt: Bei allem Respekt bin ich in diesem Punkt nicht der Meinung meines verehrten Lehrers!
2016 – vor hundert Jahren starb Max Reger. Und Marburg ist – ohne Lokalpatriotismus sei es gesagt – eine Orgelstadt: Das Publikumsinteresse ist erfreulich groß; die drei großen evangelischen Kirchen besitzen ebenso eigen-artige wie klangschöne Instrumente. Damit nicht genug: In der (katholischen) Kugelkirche steht „ein früher Woehl“, ein höchst originelles Instrument. Und auch in den „Stadtrandgemeinden“ finden sich höchst erfreuliche Orgeln, man denke an Ockershausen oder an die Lukaskirche. Es ist also selbstverständlich, daß in diesem Jahr zumindest Regers Orgelmusik verstärkt zu Gehör kommt. (Weitergehende Pläne, auch unsere Chöre, Pianisten und Streicher einzubeziehen, ließen sich nur ansatzweise realisieren – schade!). In der Lutherischen Pfarrkirche findet bekanntlich (fast) jeden Samstag ein Orgelkonzert statt. Für 2016 war es möglich, in den Programmen dieser „Stunde(n) der Orgel“ einen deutlichen Akzent pro Reger zu setzen:
Die großen Choralfantasien sind vertreten durch Martin Forciniti am 16. Januar („Wie schön leuchtet der Morgenstern“), Peter Groß („Freu dich sehr, o meine Seele“ 18. Juni), Matthias Dreißig („Straf mich nicht in deinem Zorn“ 12. 03.) und Jens Amend („Ein feste Burg“ 5. 11.) sowie Kayoung Lee („Wachet auf! ruft uns die Stimme“ (Datum noch offen). Bernhard Buttmann (Organist an St. Sebald/Nürnberg) spielt am 16. 04. eine Auswahl der großen Präludien und Fugen Regers – selten zu hören und besonders authentisch, da Buttmann seine Gesamtaufnahme (!) der Orgelwerke Regers auf 16 CDs kürzlich abgeschlossen hat (Oehms Classics München). Fantasie und Fuge über Bach op. 46 wird von M. Forciniti und Kayoung Lee an den o. g. Daten zu Gehör gebracht. Regers Choralvorspiele werden von Gerold Vorrath und Martin Weyer häufiger als sonst in den Gottesdiensten die liturgische Seite von Regers Orgelschaffen betonen; in einem Gesprächskonzert von M. Weyer sollen sich Bach und Reger mit gleichnamigen Choralbearbeitungen „spiegeln“. Das geschieht auch in Weyers Konzert an Regers Geburtstag, d. 19. 3.: Hier stehen sich Bach c-Moll-Passacaglia und eine von Reger (aus den Monologen op. 63) gegenüber. Weyer wird auch am 11. Mai (Regers Todestag) in der Elisabethkirche u.a. Regers 2. Sonate op. 60 spielen.- Eine weitere Passacaglia Regers (d-Moll ohne Opuszahl) spielt P. Groß in seinem schon genannten Konzert; Jens Amend interpretiert in seinem Konzert auch Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b. Und hinzu kommen zwei Extras mit Raritätencharakter: Zusammen mit Marion Clausen bringt P. Groß (s.o.) Lieder von Max Reger zu Gehör; ein Violoncell-Konzert mit Stefan Rieckhoff – mit der Solosuite d-Moll von Reger (!) – ist für den 19. 11. geplant, ferner sind ein Chorkonzert und ein Klavierabend noch im Gespräch.
Gegen Ende des Jahre 2016 wird kein Marburger Musikfreund mehr sagen können, er habe keine Gelegenheit gehabt, Reger zu hören! Er muß nur auf die Presse-Mitteilungen achten, denn noch sind nicht alle Termine fest vereinbart. Ulrike Paulus-Jung, die seit Jahren die „Stunde der Orgel“ organisiert, hat noch eine Menge Arbeit vor sich. (Daß die Stunde der Orgel bei freiem Eintritt stattfindet und daß die Interpreten angesichts der bloßen Unkostenerstattung keinen Vermögensverwalter benötigen, sei zum Schluß erwähnt…)
Martin Weyer