„Joachim Dreher aus Dillenburg spielt ein Programm, das sich im ersten Teil mit dem marianischen Hymnus „Ave maris stella“ beschäftigt und hierbei einen „interfranzösischen“ Vergleich bietet: der Hymnus mit Versetten erklingt zum einen in der Vertonung des altfranzösischen Meisters Nicolas de Grigny und anschließend in der Tonsprache Marcel Duprés, einem der bedeutendsten Orgelkomponisten Frankreichs des 20. Jahrhunderts. Dazwischen ist das Marienlied „Ave Maria zart“ in einer Bearbeitung des ehemaligen Würzburger Domorganisten Paul Damjakob zu hören. Nach diesem dem Marien-Monat Mai geschuldeten Beginn folgen Maurice Duruflés Variationen über „Veni Creator“ und zwei weitere pfingstliche Choralbearbeitungen von Dietrich Buxtehude, die das nahende Pfingstfest ankündigen. Den fulminanten Abschluss bildet schließlich Johann Sebastian Bachs Passacaglia und Fuge c-Moll, die unter allen Schwesterstücken dieser Gattung einzigartig und unübertroffen bleibt.
Konzert am 2. Februar 2019
In diesem Programm vereinigen sich sehr verschiedene Kompositionsformen, die jedoch durch das gemeinsame Thema „Chromatik” verbunden sind.
Johann Sebastian Bach kann gewissermaßen als Urvater der Chromatik angesehen werden, und zwar in einem umfassenden Sinne, eher formal gesehen etwa durch die vielen aneinander geketteten Vorhalte und Septimenakkorde. In der Passacaglia, die übrigens in eine eher ungewöhnlich gebaute Fuge übergeht, dominieren allerdings naturgemäß die Variationen über dem immer wiederholten Thema, doch finden sich auch chromatische Verdichtungen bis hin zur (transponierten) Tonfolge b-a-c-h.
Robert Schumann nutzt das BACH-Thema in seinen 6 Fugen (die für sich ein abendfüllendes Programm abgeben würden) ebenfalls nicht nur zu immer wieder verschiedener chromatischer Ausdeutung des Grundthemas, sondern zeigt in seinem Zyklus auch, dass sich ein- und dasselbe Thema in sehr unterschiedlich musikalische Gesamtaussagen hineinentwickeln lässt. Das wäre dann eine Art übergeordneter Variation.
Mit musikalischen Mitteln des 20. und 21. Jahrhunderts verleiht Thomas Daniel Schlee dem 133. Psalm Ausdruck. Er verwendet, wohl anknüpfend an seine Lehrmeister Olivier Messiaen und (vor allem) Charles Tournemire, bestimmte Tonfolgen jenseits der herkömmlichen Tonleitern, die in sich schon einen außergewöhnlichen Grad an Farbigkeit zeigen. Sie werden außerdem noch verschiedentlich transponiert und variiert und erscheinen im Gewande besonderer Registerkombinationen, also Klang-Farben. All das dient aber nicht einem vordergründigen Klangrausch, sondern erzielt auf gedrängtem Raum die Wirkung einer grandiosen Meditation.
César Franck, ein Vorgänger von Tournemire an der Orgel von Ste. Clotilde in Paris, ist unstreitig derjenige Komponist, der die Chromatik als erster auf einen bedeutenden Höhepunkt geführt hat, den bereits seine Zeitgenossen neidlos bewunderten und manchmal zum Ausgangspunkt eigener persönlicher Tonsprachen gemacht haben.
In den drei „Chorälen” erfindet Franck eine völlig neue Kompositionsform, die eigentlich nur noch sehr von ferne oder, wenn man so will, von der Gesamtwirkung her an einen Choral erinnert. Auch hier ist die Chromatik keineswegs Selbstzweck, sondern dient der Ausgestaltung einer ganz eigenen musikalischen Gemäldes.
Das Konzert schließt mit einer beschwingten typisch französischen Orgel-Toccata. Die immer wiederkehrende Grundfigur wird hier durch reiche Modulation und Chromatik lebendig.