Max Reger, 1873-1916
Zwölf geistliche Lieder, op.137
(1) Wenn mein Stündlein fürhanden ist,
und soll hinfahr’n mein‘ Straßen,
so g’leit du mich, Herr Jesu Christ,
mit Hilf mich nicht verlasse;
mein‘ Seel‘ an meinem letzten End‘
befehl ich dir in deine Händ‘,
du wollst sie mir bewahren.
Mein‘ Sünd‘ mich werden kränken sehr,
mein G’wissen wird mich nagen,
denn ihr’r sind viel‘ wie Sand am Meer,
doch will ich nicht verzagen;
gedenken will ich an dein‘ Tod,
Herr Jesu, und dein‘ Wunden rot,
die werden mich erhalten.
(2) Dein Wille, Herr, geschehe!
Verdunkelt schweigt das Land,
Im Zug der Wetter sehe
ich schauernd deine Hand.
O mit uns Sündern gehe
erbarmend ins Gericht!
Ich beug‘ im tiefsten Wehe
zum Staub mein Angesicht.
Dein Wille, Herr, geschehe!
(5) O Herre Gott, nimm du von mir
alles, was mich wendet von dir.
O Herre Gott, wöllst geben mir,
was mich kehrt allezeit zu dir.
O Herre Gott, nimm mich auch mir
und gib mich ganz zu eigen dir.
(6) Christ, deines Geistes Süßigkeit
in mir bereit‘, nach Willen deiner Mutter.
Dein Gewalt ist hier auf Erden breit,
drum allezeit
lob ich dich Herre, Guter.
Hilf mir durch deiner Namen drei!
Hilf dass ich hier nicht verfalle
der kranken Welt Unstetigkeit,
die bringet Leid
als wie ein bitter, bitter Galle.
Nun sollen wir alle gar mit Schalle
loben den viel süßen Christ,
daß der Gute, daß der Gute
mit seinem Blute
uns zu Hilfe kommen ist.
(7) Geht nun hin und grabt mein Grab,
denn ich bin des Wanderns müde!
Von der Erde scheid ich ab,
denn mir ruft des Himmels Friede,
denn mir ruft die süße Ruh
von den Engeln droben zu.
Darum letzte gute Nacht!
Sonn und Mond und liebe Sterne,
fahret wohl mit eurer Pracht!
Denn ich reis in weite Ferne,
reise hin zum jenem Glanz,
worin ihr verschwindet ganz.
(11) O Ursprung aller Brunnen,
wie willst du so gar versiegen?
Trost aller Herzen,
wie bist du geschwiegen?
Blume aller Schönen,
wie bist du so gar verblichen?
Licht aller der Welt,
wie bist du gar so dunkel worden?
Ewiges Leben,
bist du gestorben?
(12) O Jesu Christ, wir warten dein,
dein heiliges Wort leucht uns so fein.
Am End der Welt bleib nicht lang aus
und führ uns in deins Vaters Haus.
Du bist die liebe Sonne klar,
wer an dich glaubt, der ist fürwahr
ein Kind der ewigen Seligkeit,
die deinen Christen ist bereit.
Wir danken dir, wir loben dich
hie zeitlich und dort ewiglich
für deine große Barmherzigkeit
von nun an bis in Ewigkeit.
Zwei geistliche Lieder, op.105
Wenn in bangen trüben Stunden
Unser Herz beinah verzagt,
Wenn von Krankheit überwunden
Angst in unserm Innern nagt;
Wir der Treugeliebten denken,
Wie sie Gram und Kummer drückt,
Wolken unsern Blick beschränken,
Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:
O! dann neigt sich Gott herüber,
Seine Liebe kommt uns nah,
Sehnen wir uns dann hinüber,
Steht sein Engel vor uns da,
Bringt den Kelch des frischen Lebens,
Lispelt Mut und Trost uns zu;
Und wir beten nicht vergebens
Auch für der Geliebten Ruh.
Meine Seele ist still zu Gott,
der mir hilft. Denn er ist mein Hort,
meine Hülfe, mein Schutz,
dass mich kein Fall stürzen wird,
wie groß er ist. Hoffet auf ihn allezeit,
schüttet euer Herz vor ihm aus.
Gott ist unsere Zuversicht,
unsere Zuversicht.