Lied vom Weltende
Am Tag des Weltendes
summt um die Kapuzinerkresse eine Biene,
flickt der Fischer das glitzernde Netz,
springen im Meer die lustigen Delphine,
junge Sperlinge krallen sich an der Rinne fest,
und die Schlage ist golden, wie sich das gehört.
Am Tag des Weltendes
gehen Frauen unter Sonnenschirmen übers Feld,
schläft der Säufer am Rasenrand ein,
rufen Gemüsehändler auf der Straße
und das Boot mit gelbem Segel
vor der Insel ist bestellt,
der Klang der Geige hängt in der Luft
und die Sternennacht fliegt vorbei.
Und die auf Blitze und Donnerschlag gewartet haben,
sind enttäuscht.
Und die auf Zeichen und Posaunen der Engel gewartet haben,
begreifen nicht, dass es bereits geschieht.
Solange Sonne und Mond sich oben drehen,
solange die Hummel die Rose befliegt,
solange rosige Kinder geboren werden,
glaubt niemand, dass es bereits geschieht.
Nur der grauhaarige Alte, der ein Prophet sein könnte,
doch er ist keiner, denn er hat anderes zu tun,
sagt beim Anbinden der Tomaten:
Es gibt kein anderes Ende.
Ein anderes Ende wird es nicht geben.
Czeslaw Milosz (Warschau 1943)