Antonio Vivaldi (1678-1741)
Die vier Jahreszeiten (Le quattro stagioni)
Die von Antonio Vivaldi um das Jahr 1725 im Amsterdam herausgebrachten Konzerte mit dem Titel „Die vier Jahreszeiten!“ erfreuten sich beim Publikum von Anfang an größter Beliebtheit. Da in den Konzertsätzen außermusikalische Inhalte vertont werden, ist das Werk der sogenannten „Programmmusik“ zuzuordnen. Vivaldi bezeichnete die vier Konzerte op. 8/1-4 nicht nur in den Überschriften mit den vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sondern stellte den Werken jeweils Gedichte (Sonette) voran, die möglicherweise von ihm selbst stammen, und die das Verständnis der Musik erleichtern sollten. In der Umsetzung der außermusikalischen Inhalte zeigt sich der Komponist als Kenner der barocken Lehre von der musikalischen Rhetorik – ein Handwerk, dessen Beherrschung von jedem Komponisten dieser Zeit erwartet wurde.
Frühling
Der Frühling ist gekommen, und festlich
begrüßen ihn die Vögel mit fröhlichem Gesang.
Die Bäche fließen mit süßem Gemurmel
zu den leise wehenden Zephirwinden dahin.
Währen sich der Himmel in einem schwarzen Mantel hüllt,
nahen Donner und Blitze, den Frühling anzukündigen.
Der Gesang der Vögel, der zunächst verstummte,
hebt im wiedergewonnen Licht wieder an.
Und auf den lieblichen blühenden Wiesen
beim zarten Rauschen von Blättern und Pflanzen
schlummert der Hirte und sein treuer Hund Seite an Seite.
Zu festlichen Klägen des Dudelsacks
tanzen Nymphen und Hirten unterm Himmelszelt.
Strahlend ist der Frühling erschienen.
Sommer
Während der harten Jahreszeit der sengenden Sonne
ermatten Mensch und Tier, und die Pinien verdorren.
Der Kuckuck erhebt seine Stimme, und alsbald
stimmen Taube und Stieglitz mit ein.
Der Zephir weht sacht, doch überraschend
stellt sich ihm der Nordwind herausfordernd an die Seite.
Und der Hirte schreit auf, aufgeschreckt vom wilden Sturm
und dem drohenden Schicksal.
Aus den müden Gliedern flieht der Schlaf
in Furcht vor Blitz und Donner
und vor den wilden Schwärmen von Fliegen und Brummern.
Ach, wie wahr sind seine Befürchtungen,
es blitzt und donnert der Himmel,
und Hagel knickt die Ähren und das hohe Getreide.
Herbst
Mit Tanz und Gesang feiert der Bauer
die glücklich eingebrachte Ernte.
Viele sind vom Saft der Reben beschwingt,
und das Fest endet in süßem Schlummer.
So beendet die schmeichelnde milde Luft
das Treiben in Tanz und Gesang,
und die beginnende Jahreszeit
lädt ein zum süßen Schlaf.
Im Morgengrauen ziehen die Jäger zur Jagd
mit Hörnern, Flinten und Hunden.
Es flieht das Wild und sie folgen seiner Spur.
Vom Lärm der Gewehre und Hunde bereits verängstigt und erschöpft
versucht das verwundete Wild zu fliehen.
Doch es wird bezwungen und verendet.
Winter
Bei schimmerndem Schnee vor Erstarrung zittern,
bei Kälte und schrecklichem Wind laufen,
ständig mit den Füßen stampfend
und wegen der bitteren Kälte mit den Zähnen klappernd.
Zufriedene und ruhige Tage am Feuer verbringen,
während es draußen in Strömen regnet.
Auf dem Eise gehen mit langsamem Schritt,
vorsichtig auftretend aus Angst zu fallen.
Kräftig ausschreiten, ausrutschen, zu Boden fallen,
von neuem auf das Eis gehen und heftig losstürmen
bis das Eis kracht und bricht.
Durch die geschlossene Pforte das Pfeifen
des Schirokko, des Boreas und aller Winde hören, die miteinander ringen.
Das ist der Winter, aber welch Freude bringt er mit sich!